Der „Lockdown“ im Kreis Gütersloh ist seit heute Realität. Der nordrheinwestfälische Ministerpräsident Armin Laschet hat am Dienstagvormittag weitere Kontaktbeschränkungen, die Schließung zahlreicher Einrichtungen und die Ausweitung von Corona-Tests im Kreis verkündet. Ein ‚Reiseverbot‘ gibt es nicht. Die Maßnahmen gelten vorerst bis zum 30. Juni – so will man sich einen Überblick über das Infektionsgeschehen verschaffen.
Die heimische SPD-Bundestagsabgeordnete Elvan Korkmaz-Emre ist mit dem Krisenmanagement indes alles andere als glücklich: „Dieser Schlingerkurs ist haarsträubend. Was hat sich seit letzter Woche geändert, dass den Lockdown heute nötig macht? Es fehlt seit Beginn ein echter Plan.“ Man habe keine Lehre aus der bisherigen Pandemie gezogen, so Korkmaz-Emre, die auch als Kreistagsmitglied in Gütersloh die Entwicklung verfolgt. „Von Hamsterkäufen bis zur Verunsicherung des medizinischen Personals – das lässt sich alles vermeiden, wenn man mit einem klaren Plan Unsicherheit ausräumt.“
Auch Aussicht auf Hilfe eröffnen
Für die Gütersloherin sind die Maßnahmen der Landesregierung „eine Hiobsbotschaft“ – „zumal unsicher ist, wie lange das jetzt wirklich geht“. Viele Unternehmen im Kreis Gütersloh stünden „schon jetzt am Rande der Insolvenz“. „Der erneute Lockdown zehrt an den verbliebenen Kräften: Veranstaltungsbranche, Gastronomie, Fitnessstudios und Reisebüros aber auch die Sportvereine und gemeinnützigen Einrichtungen – alle müssen wieder zittern“, ist Korkmaz-Emre besorgt.
Insbesondere von der Landesregierung hat sie mehr erwartet. „Laschet kann sich nicht hinstellen und den Lockdown verkünden, ohne weitere Unterstützung zuzusichern. Er hat ja selbst gesagt: es gibt bislang keinen vergleichbaren Fall in dieser Pandemie. Da verlange ich auch außerordentliche Hilfestellung vom Land für die Wirtschaft hier vor Ort. Es kann nicht sein, dass alle unter den Verfehlungen eines einzelnen leiden.“ Aussicht auf Zuschüsse sei „das Mindeste“.
Tönnies ist verantwortlich
Für Korkmaz-Emre ist klar, dass auch Tönnies die „Zeche“ mitbezahlen muss und nennt den Auftritt von Geschäftsführer Clemens Tönnies „scheinheilig“. „Tönnies macht jetzt den starken Mann, und tut so, als könnte in guter westfälischer Manier die Sache schon irgendwie regeln. Aber die menschenverachtende Praxis in den Schlachtbetrieben hat nichts mit redlichem Unternehmergeist zu tun. Im Gegenteil: Jetzt hat die ganze Region schwere Folgen zu tragen.“
Als Clemens Tönnies am Samstag vor die Kameras trat und erklärte, er persönlich übernehme die Verantwortung für die Verfehlungen in seinem Betrieb, war das die Flucht nach vorn. Fragwürdig bleibt, ob es die Gemüter im Kreis Gütersloh tatsächlich beruhigt hat. „Mit Geld ist das kaum aufzuwiegen“, meint Korkmaz-Emre. Auch der Leiter des Krisenstabs im Kreis Gütersloh, Thomas Kuhlbusch, hatte zuletzt bekundet, das Vertrauen in die Firma Tönnies sei „gleich null“.
Wo ist Ralph Brinkhaus?
Auch um das künftige Ansehen der Region ist Korkmaz-Emre besorgt. „Gütersloh steht gerade im Fokus der Republik. Und diese Aufmerksamkeit ist leider verdient. Unsere Antwort muss jetzt sein, im Kampf gegen die Zustände in der Fleischbranche voranzugehen.“
Aber wo ist Ralph Brinkhaus? Korkmaz-Emre vermisst das Engagement des Fraktionsvorsitzenden der Union. „Es ist sein Wahlkreis. Er muss sich jetzt zum Kampf gegen die Praxis in der Fleischindustrie bekennen und Hubertus Heil vorbehaltlos unterstützen. Alles andere schadet der Union bis in den Bund.“ Arbeitsminister Hubertus Heil hat angekündigt, die Ausgliederung des Kerngeschäfts in der Fleischindustrie im Rahmen von Werkverträgen zu verbieten. Brinkhaus äußerte sich bislang zurückhaltend.
Bereits 2016 machte das Arbeitsministerium unter der damaligen Ministerin Andrea Nahles Vorschläge, um den Missbrauch von Werkverträgen zu stoppen. Damals hatte Widerstand aus der Union dies verhindert.