Liebe Bianca, du bist Zukunftsoptimistin – warum?

Ich habe genauso viel Angst wie alle anderen. Drohende Klimakatastrophe, toxischer Nationalismus, internationale, strukturelle Ungerechtigkeit. Das sehe ich mit weit offenen Augen. Optmtimistin sein, ist für mich jedoch alternativlos. Wenn ich mich nur der Verführung des Beklagens und des Ja-Abers hingebe, verpasse ich die Chance, Dinge nach vorne zu gestalten. In meinem Beruf begegne ich tausenden konstruktiven Ideen, die die Welt reparieren wollen. Radikales Problemlösen, Low-Tech, High-Tech, alle Industrien. Die jahrelange, hohe Frequenz mit denen ich solchen Ideen begegnen darf, lässt eine innere Landkarte des Fortschritts in mir erwachsen. Ich treffe diese Unternehemen immer in ihrer Frühphase, also sehe ich ausschließlich “was am entstehen ist”. Dadurch bin ich von Zukunft quasi umzingelt. Da müsste man schon massiv ignorant sein, um nicht zum Optimismus zu konvertieren.

Du hast das Founders Valley für die Deutsche Welle gehostet. Welche Inspirationen hast du mitgenommen?

Die Staffel, die ich hosten durfte heisst “Forward to the future” Hier ist der Link dazu: https://www.dw.com/en/founders-valley-forward-to-the-future/a-53268418. Für drei Folgen war ich für DW in Indonesien, Malaysia und Nepal. Inhaltich ging es um nichts geringeres als den Teufelskreis von Armut, die Frage um globale Migration und die Suche nach der Möglichkeit einer nachhaltigen Weltwirtschaft. Was ich mitnehme ist zu allererst: Demut. Demut der globalen Komplexität gegenüber und meinen Privilegien in ihr. Ein europäischer Pass ist ein Sechser im Lotto. Flächendeckende Bildung, Gesundheitsversorgung, ein halbwegs funktionierender Rechtsstaat. Die Privilegien sind echt und alles andere als selbstverständlich. Diese Einsicht hört man sicher oft, aber sie wird nicht weniger wahr, nur weil sie eventuell abgedroschen klingt. Vielleicht versteht man erst wirklich, wie real ein Privileg ist, wenn man vor Ort erlebt hat, wie ungerecht die Welt ist, die wir in den letzten Jahrhunderten gebaut haben. In #Foundersvalley treffe ich Social Entrepreneurs, die versuchen systemrelevante Herausforderungen anzugehen. Einen Arzt, der Krankenversicherung im Tausch gegen regelmäßiges Sammeln von Plastikmüll anbietet.Oder die ehemalige Miss Malaysia, die ihren Ruhm dazu nutzt, eine Schule für geflüchtete Kinder zu bauen, die für das Schulsystem sonst nicht existieren würden. Oder eine Gründerin die ausgesetzten alten Menschen Lebensfreude zurück gibt. Oder eine Organisation, die das explodierende Wachstum von Mädchenhandel bekämpft, die jungen Frauen rettet, ausbildet und resozialisiert.  All das sind strukturelle Probleme, denen sich eigentlich die Politik annehmen müsste. Weil die es aber nicht tut, werden  Sozialunternehmer aktiv.  Das gilt für Asien, genauso wie für Europa. Sozialunternehmer, bzw #Systempreneure sind wie Trüffelschweine für strukturelle Herausforderungen. Was sie angehen, sollte stets als Weckruf für die Politik zu verstehen sein. Denn in unserer Demokratie sind die wahren skalierbaren Problemlösungsinstrumente unsere politischen Steuerungsinstrumente.

Im Jahr zuvor durfte ich eine weniger dramatische Folge hosten, “In data we trust”. https://www.dw.com/en/in-data-we-trust-founders-valley-2-5/av-46577526 Wir sind der Frage nachgegangen, wie das Verhältnis zu Data Privacy in Thailand ist. Eine Antwort die mir in Erinnerung blieb ist: ”Privacy? We have more of a collective privacy”. Das brachte mich zum Nachdenken.Unsere west-europäische Idee von Privacy ist anscheinend kulturell bedingt. Sie kann global sehr anders sein. Digitalität, Daten & Internet haben in der Menschheitsgeschichte vorher nie existiert.

Ich glaube wir finden kollektiv jetzt ganz langsam erst heraus, wie die das digitale Zeitalter unsere Welt für immer verändert.

3. Kommen wir zu deiner „zärtlichen Leidenschaft“ für technologischen Fortschritt. Du hast da eine Idee … 

Durch meine Arbeit mit den fürhphasigen Technologie Startups hat sich mir in den letzten Jahren ein ziemlich klares Bild von dem gezeichnet, was möglich ist und was kommen wird. Wenn wir an Digitalisierung denken, dann denken die meisten Menschen an Apps, bei Automatisierung an Fabriken und Roboter. Die Evolution von Software dringt aber tatsächlich in alle Bereiche der Gesellschaft sowie jede Industrie ein. Sie verändert unsere Arbeitswelt und unsere Demokratie. Dieser Wandel ist so tiefgreifend, dass er vielen Menschen auch Angst macht. Zumindest kann man bereits eine gewisse Technologieverdrossenheit oder Digitalisierungsabwendung spüren.Das ist gefährlich, weil Menschen sich vom digitalen Zeitalter abgehängt fühlen. Werbe-Kampagnen für Digitalisierung und Innovation als buntes Mindset sind einfach ein zu oberflächliches Mittel, um BürgerInnen aufrichtig “mitzunehmen”. Der aufrichtigste Schritt wäre eine wirtschaftliche, spürbare Teilhabe des technologischen Fortschritts. Ich wünsche mir eine Automatisierungsdividende, eine finanzielle Datenteilhabe oder einen Digitalisierung-share. Ich glaube, dass ein Teil des zukünftigen Grundeinkommens aus dem wirtschaftlichen Mehrwert kommen muss, den die Digitaliserung bringt.

Erstens,weil die Entwicklung neuer Technologien sowieso meistens aus öffentlich finanzierter Forschung stammt und dadurch der Profit dieses Fortschritts auch an die Öffentlichkeit zurückfliessen sollte. Zweitens, weil eine Nicht-Teilhabe demokratiegefährdend wirken kann.

Wenn Technologieverdrossenheit wächst, gibt das den fortschrittsfeindlichen Parteien in diesem Land Raum, diese Angst zu missbrauchen. In einer Demokratie bedeutet Fortschritt auch Beziehungsarbeit. Eine Beziehung auf Augenhöhe kann nur entstehen, wenn eine real spürbare Teilhabe praktiziert wird. Nicht als sich-in-Debatten-auch-mal-miitteilen-können, sondern als echte wirtschaftliche Mit-beteiligung. Ich habe im Mai für @120620olympia eine Petition eingereicht, die dieses Thema auf den Tisch bringen soll. Erfreulicherweise wurde sie von den Experten unter die interessantesten 4 Einreichungen im Bereich soziale Gerechtigkeit gewählt. Man darf jetzt noch abstimmen, und natürlich freue ich mich über Klick-Unterstützung: https://petitionen.12062020.de/budgets/1/investments/345

So viel Zukunft heute… Was kommt denn nach Datenschutz?

Bis jetzt ist unser Verhältnis zu Datschutz defensiv.

Das DSGVO ist ein großartiger Meilenstein. Aber die Frage nach “Einwilligung” oder “nicht Einwilligung” beschreibt die Situation zu oberflächlich. Der Datenspender (Bürger/Konsument) spürt ganz genau, dass der Datennutzer (Wirtschaft) einen Vorteil aus dem Datensatz generiert.Die Angst vor Datenmissbrauch ist omnipräsent.Da sind Zurückhaltung und Schutz ein sehr verständlicher Impuls. Personalisierte Werbung ist einfach eine zu kleine Gegenleistung für die Vielschichtigkeit an Daten, die generiert werden können. 

Bei der Frage, wie künstliche Intelligenz tatsächlich brauchbar intelligent wird, kommt es aber darauf an WIE VIEL qualitativ hochwertige Daten, in WIE KURZER Zeit an die neurolanen Netze gefüttert werden können, damit die Software überhaupt in die Nähe von Intelligenz kommen kann. Wenn wir es den Unternehmen in Europa derart schwer machen, Daten zur Herstellung intelligenter Systeme zu generieren,wird es schlicht dazu kommen, dass günstigere & bessere KI’s aus Ländern kommen, die mit dem Thema Datenschutz kulturell weniger empfindsam sind. Und diese KI’s werden unsere Unternehmen dann nutzen.Ob das so wahnsinnig sinnvoll oder im Interesse der europäischen Bürger ist, wage ich zu bezweifeln.

Nach dem Datenschutz kommt also hoffentlich die Datenwertschätzung & der Datenrespekt.